Erklärung der AG ÄrztInnen zu den Angriffen der Türkei auf Nordostsyrien

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir schreiben Ihnen als Menschenrechtsaktivist:innen und Ärzt:innen, die sich für die leidende Bevölkerung in Nordostsyrien einsetzen. Wir sind zutiefst besorgt über die anhaltende humanitäre Krise, die durch die aktuellen türkischen Luftangriffe auf die kurdischen Gebiete verschärft wird.

Während Nordostsyrien noch immer unter den Auswirkungen der türkischen Luftangriffe vom Oktober leidet, die auf zivile Lebebsräume und Energieanlagen abzielten, hat die Türkei über die Weihnachtstage weitere Luftangriffe auf zivile Einrichtungen und Infrastruktur durchgeführt, die zahlreiche zivile Opfer gefordert hat. Unter den zerstörten Gebäuden befinden sich auch mehrere Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen, die für die medizinische Versorgung der Menschen unerlässlich sind.

Angriffe auf medizinische Einrichtungen sind ein schwerer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und die Genfer Konventionen. Es gibt dafür keinerlei Rechtfertigung. Diese Angriffe müssen sofort gestoppt werden.

Betroffen von den Angriffen ist auch das Kobani Medical Center. Das Center umfasst eine Notfallambulanz für die Stadtbevölkerung, eine Ambulanz für Diabetiker & ein Kinderimpfzentrum. Die Diabetikerambulanz versorgt 3100 Patient:innen, die Notfallambulanz täglich 200-300 Patient:innen. Alle Patient:innen werden dort kostenlos behandelt. Der Verein Armut und Gesundheit aus Deutschland ist Träger der Diabetesambulanz.

Prof. Dr. Gerhard Trabert, Vorsitzender des Vereins “Armut und Gesundheit e.V.” erklärt dazu: “Gerade erhalte ich von unserem engagierten syrischen Arzt Dr. Basrawi, der gestern von einem Hilfseinsatz in unserer medizinischen Ambulanz in Kobane, in Nordsyrien zurückgekehrt ist, die Nachricht, dass diese von unserem Verein Armut und Gesundheit seit 6 Jahren betriebene Ambulanz durch einen Raketenangriff der türkischen Armee zerstört wurde. Zum Glück waren unsere Mitarbeiter:innen, aufgrund der Feiertage, nicht vor Ort. Es sieht nach einem gezielten Angriff auf die medizinische Versorgungsstruktur aus. Vielleicht sogar gegen uns als deutscher Verein, der sich um die Gesundheitsversorgung in dieser Region kümmert. Anfang dieses Jahres haben wir uns aktiv um die türkischen Erdbebenopfer mit unserem Kinderarztmobil in der Türkei gekümmert.”

Wir appellieren an Sie, sich öffentlich über diese Tragödie zu äußern und Ihre Stimme für die Menschen in Nordostsyrien zu erheben. Die Politik, Ärzteverbände und Menschenrechtsirganisationen müssen auch in diesem Fall Stellung beziehen. Was zu Recht im Kontext von Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine gilt, kann nicht durchgehen, wenn es sich um den NATO-Partner Türkei handelt.

Wir bitten Sie daher, eine entsprechende Stellungnahme abzugeben und sich u.a. für eine Resolution des Bundestages einzusetzen, die die türkischen Angriffe verurteilt und ein Ende der Gewalt fordert. Es bedarf zudem Druck auf das Außenministerium, um diplomatische Initiativen zu ergreifen, die zu einer friedlichen Lösung des Konflikts beitragen.

Diesbezüglich stehen wir für einen Austausch jederzeit zur Verfügung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Engagement.

Mit freundlichen Grüßen

Arbeitsgruppe Ärzt:innen